In Wahrheit ist Vitamin D ein Steroid und ein Hormon zugleich (also ein “Steroid Hormon”), wobei nur die aktivierte Form von Vitamin D (1,25D) als Hormon agiert.

Würde man statt von “Vitamin D” von einem “Hormon D” sprechen, wäre man wahrscheinlich vorsichtiger. Vor allem, wenn es darum geht, Lebensmittel damit zu “bereichern”, wie es in den USA der Fall ist. Dort ist praktisch jeder Milch Vitamin D  zugesetzt. In Deutschland ist das glücklicherweise nicht der Fall. Wenn Ihnen jemand empfehlen würde,  sich einer Hormon-Substitution-Therapie zu unterziehen, wären Sie bestimmt  skeptisch. Aber mit Vitaminen ist man halt etwas großzügiger, gerade weil das Wort “Vitamin” Positives verspricht und außerdem ist in aller Munde.

Es gibt eine sehr ausführliche Website über Vitamin D, VitaminDelta.de . Das neueste Buch zu diesem Thema ist “Heilkraft D” von dem Münchener Ernährungswissenschaftler Dr. Nicolai Worm.  Weiterhin empfehle ich den hervorragenden Artikel über Vitamin D von Dr. Alan Gaby (April 2011).

Vitamin D ist eng gekoppelt mit unserem Immunsystem.  Innerhalb der Marshall Theorie für Autoimmunerkrankungen spielt sie eine zentrale Rolle. Daher ist es zweckmäßig, wenn man sich mit dieser lebenswichtigen Substanz näher beschäftigt. Siehe auch John White “Vitamin D Signaling, Infectious diseases and regulation of Innate Immunity”.

Der menschliche Körper kann es selbst aus Cholesterin und Licht in der Haut erzeugen. Genau, Cholesterin,  jene böse Substanz, die man angeblich auf jeden Fall vermeiden muss,  wenn man an einer guten Gesundheit ernsthaft interessiert ist.

Was wir unter “Vitamin D” kennen, ist chemisch unter Cholecalciferol oder Vitamin D3 bekannt. Allerdings ist es in dieser Form vom Körper noch nicht ganz verwertbar, dazu gehören zwei weitere Schritte, die in der Leber bzw. in den Nieren stattfinden:

  1. Vitamin D wird in der Leber zu 25D (25(OH) Vitamin D3) umgewandelt (Calcidiol).
  2. 25D wird wiederum in den Nieren zu 1,25(OH)2D3 (Calcitriol) umgewandelt (endocrine Vitamin-D-Erzeugung).
  3. Viele Gewebearten sind ebenfalls in der Lage, selbständig Calcitriol aus Calcidiol zu erzeugen (paracrinale Vitamin-D-Erzeugung). Wahrscheinlich ist jede Zelle mit Zellkern in der Lage, auf Vitamin D zu reagieren.
  4. Einige Immunzellen (wie z. B. Makrophagen) produzieren ebenfalls Calcitriol aus Calcidiol als Teil einer Immunantwort (ebenfalls paracrinale Vitamin D Erzeugung)

In diesem Blog wird der Einfachheit halber 25D geschrieben und steht für 25 (OH) Vitamin D3 sowie 1,25D, was für 1,25 (OH)2 D3 steht.

25D ist also nur ein “Baustoff”, um die aktive Form von Vitamin D (1,25D) zu bilden. Ansonsten hat es keine Funktion. Es wird im Körper gespeichert und bleibt dort einige Monate. Die wichtigste Form von Vitamin D ist 1,25D und nicht 25D.

Daher ist 1,25(OH)2 VitD3 (hier der einfachheitshalber 1,25D genannt) das “aktive” Metabolit, denn nur 1,25D hat die Eigenschaft, den Vitamin-D-Rezeptor VDR in den Zellen zu “aktivieren”, d. h. die Transkription von Genen in Gang zu setzen. Der VDR ist für die Transkription von mehr als 1000 Genen verantwortlich und ist unerlässlich für eine gute Gesundheit und für das Immunsystem. Siehe dazu mehr in diesem Posting.

Die biologische Wirkung von 1,25D wird direkt im Zellkern entfaltet. Daher ist die Rolle der frei zirkulierbaren 1,25D nicht ganz geklärt. Vermutlich wird 1,25D bei Bedarf direkt im Zellkern erzeugt und auch verbraucht. Das im Blut frei zirkulierende 1,25D kommt also aus dem Zellkern selbst und ist durch die Zellwand in die Blutbahn diffundiert. Nach der gängigen Meinung diffundiert umgekehrt 25D aus der Blutbahn zu dem Zellkern, wo es bei Bedarf in 1,25D konvertiert wird. Innerhalb des Zellkerns selbst sind die Konzentrationen aus 25D und 1,25D vergleichbar und liegen in der Größenordnung von 1-10 nanomolar.

Sowohl 1,25D als auch 25D sind an das Vitamin D-bindendes-Protein gebunden (DBP). Gentechnisch präparierte Labormäuse ohne DBP haben kein zirkulierendes 25D/1,25D im Blut und haben trotzdem einen normalen Kalziumstoffwechsel (!). Daher spielt vermutlich das frei zirkulierende 1,25D im Blut eine geringe Rolle. Trotzdem kann es als “Marker” nach dem Marshall-Modell für Autoimmunerkrankungen verwendet werden, aus Gründen, die wir später sehen werden.

Ursprünglich hatte die Medizin das Vitamin D Metabolit  1,25D nur mit dem Calcium- Stoffwechsel in Verbindung gebracht. Seit 1995 weiß man jedoch, dass 1,25D eine sehr wichtige Rolle beim Immunsystem spielt, Siehe Casteels et al. Calcium-Stoffwechsel wird wiederum vom Parthormon PTH reguliert und 1,25D ist ebenfalls beteiligt, wobei es eine viel geringere Rolle spielt, als von der Allgemeinheit angenommen.

Vitamin D und Immunsystem: Stärkung oder Schwächung - Was ist nun richtig?

Liest man die allgemein bekannte Vitamin-D-Literatur, kommen sehr oft Sätze vor wie:

Vitamin D stärkt das Immunsystem, es ist unerlässlich für die Knochengesundheit, es wirkt entzündungshemmend und beugt bestimmten Krebsarten vor. Vitamin-D-Mangel wird von Experten mit höherer Sterblichkeit assoziiert sowie mit  einem höheren Risiko für Herz-, Kreislauf- und für Autoimmunerkrankungen”.

Es wird  also  nahezu wie eine Panacea beschrieben, also eine Art Wundermittel, das gegen fast alle Krankheiten hilft.

Besonders interessant ist die Erwähnung im gleichen Satz von “Immunsystem Stärkung” und “Entzündungshemmung“. Eine “Entzündung” ist eine Reaktion des Immunsystems. Wenn eine Substanz das Immunsystem “stärkt”, kann sie nicht gleichzeitig entzündungshemmend wirken, da die Entzündungshemmung ja das Immunsystem “bremst” (z. B. erreicht Cortison, die stärkste entzündungshemmende Substanz schlechthin, diesen Effekt durch Supprimierung, also “Bremsung” des Immunsystems).

Wie kann also Vitamin D immunsystemstärkend und gleichzeitig immunsystembremsend sein?  Ist das nicht paradox?

Diese Frage kann nicht so einfach beantwortet werden, aber es spricht vieles dafür, dass des Rätsels Lösung in der Tatsache liegt, dass wir es mit zwei Substanzen zu tun haben, nämlich  mit den Metaboliten 25D und 1,25D, die unterschiedlich wirken und sich auch  gegenseitig beeinflussen. Ein Aspekt, der in der populären Meinung über Vitamin D  (”je mehr desto besser”) völlig unberücksichtigt bleibt.

In der Tat wird Vitamin D in bestimmten Konstellationen  zu stärkeren Immunreaktionen führen und in anderen  das Immunsystem bremsen, also “immunsupprimierend” und damit auch entzündungshemmend wirken.  Aber das muss nicht unbedingt positiv sein. Eine jahrelange Schwächung der angeborenen Immunabwehr könnte kontraproduktiv wirken.

Vitamin-D-Supplementierung führt zu einer Erhöhung von IL-10 im Blut, eine anti-entzündliche Zytokine (Quelle Dissertation über Vitamin D Supplementierung, 2006). Cortison zeigt übrigens eine ähnliche Wirkung. “Anti-entzündlich” liest sich zwar positiv, Entzündungshemmung und “Bremsung” der angeborenen Immunabwehr sind jedoch zwei Seiten derselben Münze.

Unter “Konstellationen” meine ich bestimmte Kombinationen zwischen 25D/1,25D im Blut. Da wir es mit zwei Dimensionen zu tun haben und noch die Funktionsfähigkeit des VDR-Rezeptors berücksichtigt werden müsste, gibt es darauf keine generelle Antwort. Die recht simple Betrachtungsweise “je höher die 25D-Werte desto besser” ist nur eine starke Vereinfachung eines wesentlich komplexeren Problems, die von der Wissenschaft bisher kaum ausgeleuchtet wurde.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bestimmte Krebsarten wie z. B. Prostatakrebs umso aggressiver sind, je höher Vitamin-D-Werte im Blut sind (siehe Krebsabschnitt weiter unten). Die Vitamin D bedingte Immunsuppression führt andererseits zu besserem  “Wohlbefinden”, da Immunreaktionen ausbleiben. Über 80 % dessen, was wir unter “krank sein” verstehen, sind eigentlich Immunreaktionen. (Quelle: Vitamin D the Alternative Hypothese).

Diese sehr interessanten Aspekte von Vitamin D werden in diesem Blog in unterschiedlichen Postings vertieft:  in “die Rolle der Toll-like-Rezeptoren in Autoimmunerkrankungen” wird auf die sogenannte “paracrinale” Erzeugung von 1,25D in anderen Geweben als die Nieren sowie speziell auf die Rolle von Vitamin D in Immunreaktionen des angeborenen Immunsystems eingegangen.

Viele Gewebearten - in der Regel solche, die in Kontakt mit Erregern kommen - sind nämlich in der Lage, selbständig 1,25D aus 25D zu erzeugen (Fachbegriff: ” 1-alpha Hydroxylase“).  Die immunosupprimierenden Effekte von Vitamin D werden ausführlich im Posting “Das Marshall-Modell der Autoimmunerkrankungen”  beschrieben, denn Marshall zeigte sehr anschaulich, warum Vitamin D auch immunosupprimierende Effekte aufweist.  Dies wird auch in der Veröffentlichung “Vitamin D, the alternative Hypothese” gezeigt.

Die angebliche vorbeugende Wirkung von Vitamin D auf Krebs wird schließlich am Ende dieses Postings diskutiert.

 

Was ist nun ein Vitamin-D-Mangel?

Wenn man in der Literatur von Vitamin-D-Mangel liest, bezieht sich dies in der Regel auf 25D. Man hat in der Vergangenheit in der Tat eine Korrelation zwischen niedrigeren 25D-Werten und einer Vielzahl von Krankheiten festgestellt (von Autoimmun-Erkrankungen bis zu Krebs).

Daraus schließt man, dass eine Unterversorgung mit Vitamin D (obwohl man hier 25D meint) irgendwie dafür verantwortlich ist. Richtigerweise sollte es heißen, ein Vitamin-D-Mangel kann erst gegeben sein, wenn die Konzentration von 1,25D im Blut niedrig ist.  Und gerade die hat man in den seltensten Fällen gemessen.

Warum wird dann von einem Vitamin-D-Mangel gesprochen, wenn man lediglich die Vorsubstanz, den Baustoff 25D meint?

Das hat wohl historische Gründe. In der Vergangenheit hatte man nur 25D und nicht 1,25D gemessen. Berühmte Studien wie die Framingham-Studie hatten ja nur 25D-Werte und nicht die dazugehörigen 1,25D.  Die Messung von 1,25D ist sehr aufwendig und fehleranfällig, Daher schaut man eher auf die 25D-Werte und schließt daraus, dass wohl weniger 1,25D vorhanden sein muss, wenn 25D erniedrigt ist.  Ein Trugschluss.

Welche Werte sollen bestimmt werden, um einen Vitamin-D-Mangel festzustellen?

Nachdem sich die Vitamin-D-Literatur über Jahrzehnte auf 25D und nicht auf das aktive Metabolit 1,25 D konzentriert hat, ist einiges an Verwirrung entstanden, die sich leider auf einige Arztpraxen ausweitet.

Die Bestimmung von 25D im Blut ist einfach und  kostengünstig. Die Messung von 1,25D ist aufwendig (das Blut muss gefroren werden, die Konzentrationen von 1,25D sind sehr klein und deren Messung schwer). Darüber hinaus sind die 25D-Werte recht stabil und schwanken nicht so wie die von 1,25D, die von anderen Faktoren (z. B. PTH) beeinflusst werden. Daher ist sich die Wissenschaft einig, dass 25D ein recht guter Indikator für die Versorgung des Körpers mit 25D ist, wohl wissend, dass dies nur ein “indirekter” Indikator ist.

25D ist stabil, weil es ein Maß für das gespeicherte 25D im Körper ist. 1,25D kann nicht gespeichert werden, 25D schon. Der Körper wird dann bei Bedarf so viel 1,25D bilden, wie er benötigt. Die dazu notwendige Konzentration von 25D wird leicht überschätzt. Es befinden sich im Blut grob gesprochen 10000mal mehr Moleküle von 25D als von 1,25D. Die Sorge, es könnte nicht genügend Substrat für 1,25D, also nicht genügend Baustoff  vorhanden sein, ist schwer verständlich.

Der Vitamin-D-Mangel, gemessen an dem Metabolit 25D, ist nichts anderes als die Vermutung, es könnten u. U. nicht genügend 1,25D gebildet werden. Das ist alles. Nur, was ist nun genug?

Ist 25D niedrig, so könnte u. U. 1,25D ebenfalls niedrig sein, was gefährlich ist. Ist 25D in Ordnung, so wird es wohl 1,25D sein.  So die einfache Logik. Diese “indirekte” Logik wird in der Regel vielleicht gut funktionieren, solange der Vitamin-D-Stoffwechsel selbst nicht gestört ist (z. B. als Folge einer Autoimmunerkrankung oder latenten Th1-Entzündungen). Im letzten Fall könnte man höchst paradoxe Messwerten erhalten: Beispiel zu niedrige 25D-Werte (also ein Vitamin-D-Mangel), jedoch normale oder sogar zu hohe 1,25D-Werte, also doch kein Mangel (?!)

Wird jedoch 1,25D direkt gemessen, so hat man gleich das aktive Metabolit, also genau jene Substanz, die als aktives Vitamin D vom Körper verwertet wird über den Vitamin-D-Rezeptor.

Daher ist es sinnvoller, gleich die zwei Metaboliten zu messen, nämlich 25D und 1,25D. Da hat man das Gesamtbild. Menschen, die gerne mit Vitamin D supplementieren, sollten auch immer ihre Calciumwerte im Blut überwachen. Es besteht nämlich eine nicht verschwindende Wahrscheinlichkeit,  dass die Calciumwerte unter Vitamin-D-Supplementierung steigen, was zu schwerwiegenden Folgen für die Nieren führen kann. Gerade Menschen mit Autoimmunerkrankungen haben oft einen nicht regulierten Vitamin-D-Stoffwechsel, eine Beobachtung, die leider selbst bei Ärzten unbekannt ist. In solchen Fällen werden hohe bis sehr hohe 1,25D-Werte gemessen (wenn es überhaupt zu einer Messung kommt). Hohe Calcitriolwerte im Blut führen zu Knochenabbau und Osteoporose durch verstärkte osteoklastische Aktivität.

Niedrige 25D-Werte im Blut kommen gerade bei Autoimmunerkrankungen sehr oft vor, die dazugehörigen hohe 1,25D-Werte (oft fälschlicherweise als “kompensatorische Erhöhung” tituliert) fallen in der Regel nicht sonderlich auf, z. T. weil die Labore Werte bis zu 80 pg/ml noch als normal betrachten. Siehe auch das Posting “Vitamin D-Mangel etwas anders erklärt”

Wie man aus den letzten Paragraphen sieht, wird die Bedeutung von zu niedrigen 25D-Werten (klassischer Vitamin D-Mangel) etwas relativiert, denn sie enthält nur ein Teilbild.

Trevor Marshall äußerte die Vermutung, dass niedrige 25D-Werte gar nicht die Ursache einer Krankheit sind, sondern deren Folge. Niedrige 25D-Werte (solange genügend 1,25D im Blut vorhanden ist) sind nur ein Symptom einer tiefergehende Erkrankung, die im nächsten Post näher erläutert wird.

Mehr Infos zu Vitamin D gibt es bei Wikipedia. In Englisch gibt es eine gute Übersicht bei Marshall.

Sehr detaillierte Informationen finden sich in dieser Veröffentlichung (Adriana S. Dusso, Alex J. Brown and Eduardo Slatopolsky, Am J Physiol Renal Physiol 289:8-28, 2005. doi:10.1152/ajprenal.00336.2004) sowie bei John White, ein anerkannter Vitamin-D Experte.

Die Kontroverse um Vitamin D als Nahrungsergänzung ist sehr gut in der BioEssays Veröffentlichung von Marshall zu lesen sowie in der neuesten Veröffentlichung “Vitamin D: die Alternative Hypothese”  bei Autoimmunity Reviews,  Elsevier. Kritische Stimmen zu Vitamin D finden sich auch z. B. in Linden (1974).

Die Vitamin-D-Mangel-Hypothese von Holick/Hollis/Cannel/

Diese Hypothese besagt u. a.,  dass ca. 50 % der Weltbevölkerung unter Vitamin-D-Mangel leidet, die unbedingt therapiert werden muss. Als Mangel gelten 25D-Werte unterhalb 30 ng/ml.  Für die erwähnte These gibt es bisher nur Hinweise, aber keine wasserdichten Beweise. Sie wird sehr aktiv vom Vitamin D Council  (eine private non-profit-Organisation) betrieben. Mittlerweile haben sich einige bekannte Ernährungswissenschaftler deren Ideen angeschlossen, obwohl Vitamin D streng genommen kein Ernährungsproblem ist. Sehr wenige Lebensmittel enthalten Vitamin D, dies dürfte für die Evolution des Homo-Sapiens nichts Neues sein.

Die  erwähnte These besagt, dass sich gegen viele chronische Leiden, Diabetes, Krebs sowie Autoimmunerkrankungen durch genügend Vitamin-D-Supplementierung vorbeugen lässt. Dabei gibt es kaum Studien, die den vermuteten vorbeugenden Effekt von externer Vitamin-D-Supplementierung belegen. Da jedoch die erwähnten Erkrankungen sehr niedriges Vitamin D im Blut aufweisen,  kommt man zu dem (Trug?)-Schluss, man brauchte ja nur genügend Vitamin D  zu supplementieren, um diesen Krankheiten vorzubeugen. Ein Glaube, was in der Medizin schon des öfteren nicht funktionierte und sich sogar als kontraproduktiv erwies (Östrogensupplementierung, Beta-Karotin).

Ein anderes beliebtes Argument ist der Hinweis auf die enorme Wichtigkeit von Vitamin D auf den menschlichen Stoffwechsel, an sich eine absolut richtige Feststellung, nur wird sie von den Anhängern der Vitamin-D-Mangel-Hypothese so verstanden, dass der Stoffwechsel der europäischen Bevölkerung (oder besser gesagt, 50 % der Weltbevölkerung) ohne Supplementierung nicht richtig funktioniert. Dies ist wiederum nicht durch Studien belegt.

Als Beweis dazu wird argumentiert, dass in den hiesigen Breitengraden im Winter kaum Vitamin D gebildet wird, daher muss also supplementiert werden, als ob die Sonnenwirkung in Europa ein Effekt der Neuzeit wäre. Dabei wird oft vergessen, dass der angebliche Mangel nur ein Mangel ist, weil die Normwerte für 25D so hoch definiert wurden.

Weiterhin wird auf die Inzidenz von Krebs in Abhängigkeit vom Breitengrad als weiterer Hinweis für die Vitamin-D-Mangel-Hypothese verwiesen. Länder mit mäßiger UVB-bedingte Vitamin-D-Bildung dürften demnach mehr Krebsfälle aufweisen als Länder in der Nähe des Äquators. Auch diese Annahme ist höchst widersprüchlich, eine aktuelle (2008) Studie aus Norwegen zeigte, dass es eher umgekehrt ist. Einige Krebssorten sind häufiger in Äquatornähe als in nördlichen Gegenden. Hier verbesserte sich allerdings auch gleichzeitig die Überlebenswahrscheinlichkeit in Äquatornähe. Beispiel: zwei von drei Norwegern haben 25D-Werte niedriger als 20 ng/ml, trotzdem haben sie nur 50 % der Lungenkrebsinzidenz als beispielsweise Australier. Länder wie die USA, die aktiv Vitamin-D-Anreicherung in Lebensmitteln betreiben, zeigen keineswegs deutlich bessere Zahlen bei Diabetes-, Herzkreislauf-, Autoimmun- oder Krebsleiden, was von den Anhängern der Vitamin-D-Mangel-Hypothese dadurch erklärt wird, dass die Supplementierung immer noch nicht hoch genug ist.

Medizinische Fachstudien benutzen oft Korrelationen. Das heißt, sie messen zwei Parameter und beweisen  mit statistischen Mitteln, dass sie korrelieren bzw. nicht korrelieren. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aus einer Korrelation auf einen kausalen Zusammenhang zu schließen ist jedoch falsch. Zumindest geht es aus einer bloßen statistischen Analyse nicht hervor. Um solche Aussagen zu rechtfertigen, brauchte man ein wissenschaftliches Modell. Und das gibt es in den seltensten Fällen.

Es ist z. B. bekannt, dass während der Schwangerschaft oft niedrige Vitamin-D-Werte gemessen werden. Trotzdem käme niemand auf die Idee, Vitamin D als Verhütungsmittel einzusetzen, nur weil Vitamin-D-Mangel mit der Schwangerschaft korreliert. Klingt absurd, aber genau so ist die Logik der Vitamin-D-Mangel-Hypothese (”…es könnten X % der Herzinfarkte/Krebsfälle/Diabetes vermieden werden, wenn man die Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D um Y % erhöhen würde... und ähnliches)  Raucher haben bekanntlich ebenfalls niedrige Vitamin D-Werte, trotzdem werden die negativen Auswirkungen des Rauchens nicht verschwinden, nur weil Vitamin D supplementiert wird.

Aus den genannten Beispielen geht hervor, dass Vitamin-D-Werte offensichtlich empfindlich  auf besondere Vorgänge im Körper (z. B. Schwangerschaft) reagieren sowie auf die Einnahme von bestimmten biochemischen Substanzen (Rauchen, aber auch Medikamente wie  Statine beeinflusst den Vitamin D Status. Insofern wäre es nicht verwunderlich, dass gerade schwere oder chronische Krankheiten den Vitamin-D-Spiegel ebenfalls negativ beeinflussen  könnten, ohne dass es ursächlich ist.

Die Vitamin-D-Mangel-Hypothese basiert also hauptsächlich auf einer Reihe von verketteten Annahmen, die sich entweder gegenseitig  beweisen (Zirkellogik) oder Kausalität aus Korrelationen suggerieren.

In der Vorbeugung von Knochenbrüchen bei älteren Menschen sieht die Datenlage etwas besser aus, die Schweizerin Bischoff-Ferrari zeigte in Metastudien, dass bei älteren Menschen (> 65 Jahren) die Wahrscheinlichkeit für Knochenbrüche geringer ist bei Vitamin-D-Supplementierung.

Die Veröffentlichung  Holick 2006  gibt einen guten Überblick über die Vitamin-D-Mangel-Hypothese. Interessanterweise werden nach Meinung von Holick “ideale” Vitamin-D-Werte von oberhalb 30 ng/ml in kaum einer Population der Welt mehrheitlich (also als Mittelwert) gemessen. Das wiederum ist nach Meinung der Anhänger der Vitamin-D-Mangel-Hypothese ein Problem von epidemiologischen Ausmaßen, das unbedingt durch Vitamin-D-Supplementierung korrigiert werden soll. In den folgenden Abschnitten wird näher auf die Vitamin-D-Mangel-Hypothese eingegangen und vor allem die Frage beleuchtet, wie diese Theorie auf > 30 ng/ml als Idealwert für 25D kommt.

In der Berichterstattung wird leider außer Acht gelassen, dass die Vitamin-D-Mangel-Hypothese ja nur eine These ist, deren Beweis erst gebracht werden müsste. Sie wird oft als “der Stand” der Vitamin-D-Forschung vermittelt. Dies ist jedoch nach der höchst widersprüchlichen Datenlage, vor allem nach dem Fehlen von Studien, die speziell die Supplementierung untersuchen (und nicht nur Korrelationen messen), nicht zutreffend.  Siehe auch den englischsprachigen Artikel “Skepticism Mounts on Needs of Vitamin D Supplementation“.

Es kommt erschwerend hinzu, dass in der populärwissenschaftlichen Presse  oft nicht zwischen 25D und 1,25D unterschieden, sondern generell über Vitamin D geredet wird.  So werden beispielsweise positive Eigenschaften von 1,25D sehr schnell mit externer Vitamin-D-Einnahme in Verbindung gebracht, obwohl Calcitriol (1,25D) erst  im Körper gebildet wird und der Zusammenhang zwischen der Calcitriol (1,25D)  Erzeugung aus Calcidiol (25D) wesentlich komplexer ist als die einfache, durch die Medien suggerierte Empfehlung  ”je mehr Vitamin D desto besser”. Ein Blick in das Deutsche Gesundheitsforum zeigt, dass es mittlerweile Menschen gibt, die 25D-Pegel um die 70-80 ng/ml anstreben, und zwar als Folge von (missverstandener) Vitamin-D-Supplementierung-Literatur. Siehe auch Forumsbeitrag dazu.

Das bringt uns auf die nächste Frage:

Was sind nun normale, “natürliche” Vitamin-D-Werte?

Meiner Meinung nach ist es sinnlos, im Labor nach einer bestimmten Methode künstlich konstruierte “optimale” Werte zu bestimmen.  Die so bestimmten Werte sind nur so gut, wie die Methode für ihre Bestimmung war. Mich würde eher interessieren, welche Vitamin-D-Werte in der Natur vorkommen, insbesondere in Bevölkerungen, die keineswegs supplementieren. Die Natur weiß in der Regel sehr gut, was sie tut und warum sie das tut,  daher schauen wir uns mal einige beispielhafte Messdaten an.

Es gibt leider wenig Datenmaterial, das sowohl 25D als auch 1,25D beinhaltet. Hier einige davon:

Studie Nr. 1: Chilenische Frauen (vor und nach den Wechseljahren), Studie von 2007.
40. Gonzalez G, Alvarado JN, Rojas A, Navarrete C, Velasquez CG, Arteaga E. High prevalence of vitamin D deficiency in Chilean healthy postmenopausal women with normal sun exposure: additional evidence for a worldwide concern. Menopause. 2007 Feb 6.

Ergebnisse: 27 % der Frauen vor den Wechseljahren und 60 % der Frauen nach den Wechseljahren hatten 25D-Werte unter 20 ng/ml (waren also nach der US-Definition “defizient” an Vitamin D. Santiago de Chile ist übrigens ein recht sonniger Ort.

Studie Nr. 2: Junge Frauen aus Bangladesh:
Islam MZ, Akhtaruzzaman M, Lamberg-Allardt C. 2006. Hypovitaminosis D is common in both veiled and nonveiled Bangladeshi women. Asia Pac J Clin Nutr. 15(1):81-7. Studie aus 2006.

80 % der jungen Frauen hatten 25D-Werte unter 16 ng/ml. Also höchst defizient ebenfalls, nach der heutigen Norm.

Angaben aus der Veröffentlichung
http://trevormarshall.com/BioEssays-…l-Preprint.pdf Kapitel “What is a “natural” homeostasis of Vitamin D synthesis”
Werte habe ich in die geläufigen Einheiten konvertiert.

Studie Nr. 3: Türkische Studie über die Wechselwirkung von Statinen und Vitamin D, Testgruppe bestand aus 91 Personen (mittleres Alter 59 Jahre), die Mehrzahl mit hohem Blutdruck. http://www.peerview-institute.org/ne…_uids=19543962.

Diese Testgruppe hatte einen mittleren 25D-Wert von 14 ng /ml sowie einen mittleren 1,25D-Wert von 22,9 pg/ml (+/- 11).

Die hier zitierten Studien sind nur als exemplarisch zu sehen. Es gibt eine Vielzahl von anderen Veröffentlichungen, die ähnliche Daten zeigen (vor allem 25D-Werte unterhalb 20 ng/ml, 1,25D Messungen sind leider selten).

Studie Nr. 4: Vitamin D status in bestimmte Populationen in Indien, z. B. in Südindien, wo genügend Sonne wohl kein Problem darstellen sollte, lagen mittlere 25D-Werte bei 20 ng/ml, also durchaus normal, aber nach der Definition von einigen Wissenschaftler schon im Mangelbereich.

Studie Nr. 5: Vitamin-D-Versorgung in Honolulu, Hawaii. Hier dürfte man annehmen, dass es wirklich nicht an Sonne mangelt. Trotzdem müssten nach den Thesen der Vitamin-D-Mangel-Theorie 50 % der untersuchten Bevölkerung in Honolulu Vitamin-D-Tabletten  zu sich nehmen, denn 50 % der gemessenen Population wiesen Werte unter 30 ng/ml auf, also waren “defizient”.

Also nach den Ergebnissen der genannten Studien waren 25D-Werte von oder unterhalb 30 ng/ml in der Mehrzahl. Daraus kann man durchaus folgern, dass in natürlichem, unsupplementiertem Zustand normale 25D-Werte zwischen 15 und 20 ng/ml pendeln, sie folgen auch sonnenbedingten Schwankungen. Nur im sonnigen Hawaii waren die Mittelwerte zwischen 20-30 ng/ml. Jetzt kann man natürlich daraus folgern, die waren alle Defizient und hätten Vitamin D supplementieren sollen, oder man akzeptiert, dass diese Werte nun mal “normal” sind im Sinne einer statistischen Normalverteilung der gemessenen Werte. Warum gelten aber mittlerweile so hohe Werte wie  30 ng/ml bei Vitamin-D-Experten bereits als Mangel? Schauen wir uns in den nächsten Abschnitten die Argumentation der hierzulande und in den USA sehr beliebten Vitamin-D-Mangel-Hypothese nochmals im Detail an.

Die Vitamin-D-Mangel-Hypothese ist  nur so gut wie ihre Messdaten bzw. ihre Messmethoden. Daher lohnt es sich, einen genauen Blick darauf zu werfen. Dazu nehmen wir zwei weitere Studien, die solche Vermutungen verbreiten.

Studie A) Hollis  2005Circulating 25-Hydroxyvitamin D Levels Indicative of Vitamin D Sufficiency: Implications for Establishing a New Effective Dietary Intake Recommendation for Vitamin D1“. J Nutr. 2005 Feb;135(2):317-22.

Diese Studie wird in einschlägigen Foren als Beweis für die Vitamin-D-Empfehlungen betrachtet und wird oft zitiert.

Die Studie nimmt eine Population von 40 Teilnehmern (also eine wesentlich niedrigere Anzahl als die oben genannten) sowie eine Vergleichspopulation von 8 (!) Feldarbeitern (Förster etc.). Der Autor nimmt die Daten aus einer älteren Studie aus den 70ern. Hier ist außerdem wichtig zu berücksichtigen, dass höhere Vitamin D-Werte zu erwarten sind, wenn diese Population aus USA stammt, da dort die Lebensmittel mit Vitamin D angereichert sind. Die  Population von 40 Teilnehmern hatte einen mittleren 25D-Wert von 27 ng/ml und die Feldarbeiter einen hohen Wert von 64 ng/ml.  Sie bestand aber nur aus 8 Teilnehmern, wie schon erwähnt, insofern ist mit statistischen Fehlern zu rechnen.

Hollis postuliert nun, dass die Feldarbeiter diejenigen sind, die normale Vitamin D-Werte haben und alle anderen sind nun mal “Defizient”:

“I, however, interpret the original Haddad data differently; I suggest that the 25(OH)D levels in the lifeguards are normal and the “normals” are actually vitamin D deficient”.

Aus Schwarz wird nun Weiß und aus Weiß per Hollis Definition Schwarz.  Als Argumentation wird die beliebte These wiederholt, dass unsere Vorfahren in Afrika aus wesentlich sonnigeren Gebieten stammen und vor 50.000 Jahren nach Europa marschierten, daher sind wir angeblich auf mehr Sonne angewiesen. Die  Zahl von  50.000 Jahren in der Hollis-Veröffentlichung ist falsch, in Europa gab es Menschen (bzw. ihre Vorläufer) schon vor seit 1.8 Millionen Jahren. Dazwischen waren auch etliche Eiszeiten. Man kann sich kaum vorstellen, dass unsere Vorfahren wesentlich weniger Kleidung trugen als heute, denn es war verdammt kalt.

Darüber hinaus wissen wir seit Charles Darwin, dass es so etwas wie eine Evolution gibt,  die per Mutation und Selektion Lebewesen an neue Lebensbedingungen anpasst. Im Prinzip besagen Anhänger der Vitamin-D-Mangel-Hypothese nichts anderes, als dass der Mensch nun Tabletten schlucken muss, um Defizite seiner Anpassung an die Natur auszugleichen. Merkwürdige These.

Anhänger der Vitamin-D-Supplementeierung argumentieren sehr gerne mit dem Hinweis, die heutigen Lebensbedingungen des modernen Menschen erlauben keine ausreichende Vitamin-D-Versorgung, anders als bei unsere Vorfahren. Dabei wird aber gern vergessen, dass bisher niemand die Vitamin-D-Werte unsere Vorfahren gemessen hat. Die Annahme, sie seien höher als heute, ist lediglich eine Annahme von vielen.

Hollis ging aber noch weiter: er versuchte nun eine mathematisch fundierte Methode anzuwenden, die seine Behauptungen beweisen. Dazu benutze er Biomarkers, u. a. die PTH (Parathormon)-Werte  sowie 25D-Werte aus einer anderen Veröffentlichung, die wesentlich mehr Teilnehmer hatte (1741).  Die Anzahl der Daten erlaubt statistisch signifikante Daten zu extrahieren.

Die Ergebnisse sind in der Abbildung 4 der zitierten Hollis Veröffentlichung dargestellt. Sie zeigen PTH in Abhängigkeit von 25D.  Aus Copyrightgründen darf ich das Bild hier nicht einfügen, der Leser möge sie direkt in der Veröffentlichung anschauen. Man sieht eine Datenwolke die in etwa eine Fläche bildet, wie ein Ellipsoid.  Das ist auch nicht verwunderlich, denn PTH hängt nicht direkt von 25D ab, sondern von 1,25D.  Daher streuen die Daten innerhalb einer Fläche und bilden keine Linie.

Hollis argumentierte, dass sich bei älteren Menschen mit Sekundären Hyperparathyreoidismus die steigenden PTH-Werte gut mit der Zugabe von Vitamin D normalisieren. Also sucht er nach dem Schwellenwert, ab dem dieser Effekt eintritt, falls es einen Schwellenwert überhaupt gibt.

Er lässt leider außer Acht, dass sekundärer Hyperthyroidismus auch möglicherweise mit einer ungenügenden Bildung von Calcitriol in den Nieren zusammenhängt, was auch altersbedingt ist. Diese Zusammenhänge nun auf die Gesamtbevölkerung zu extrapolieren, ist äußerst fraglich.

Da Hollis unbedingt einen einfachen  funktionellen Zusammenhang extrahieren will, wendet er  “a complex mathematical model“  -  einen Fit mit der Methode der kleinsten Quadrate, wie jeder Excel-Tabellen erstellen kann - und forciert nun eine Linie aus der  genannten Datenwolke (immer noch Figure 4 aus Hollis  2005) .

Aus dieser (abfallenden) Linie bestimmt er einen 25D-Wert, wo seiner Meinung nach PTH normal ist (wohlgemerkt, das zeigen die Daten nicht, nur die Kurve, die er hineininterpretiert hat)  Dieser Wert liegt in etwa bei einer Konzentration von 25D im Blut von  30 ng/ml. Das ist dann seine Empfehlung für normale Vitamin D-Werte (25D), die jeder Mensch idealerweise haben sollte. Da große Teile der Bevölkerung nun 25D-Werte unterhalb dieses Wertes aufweisen, leiden sie von  nun an einem Vitamin-D-Mangel.

Eine ähnliche Methode wendet er für die Calcium-Aufnahme gegen 25D-Konzentration im Blut, wobei die Daten ebenfalls stark streuen. Auch hier ist die Streuung nicht verwunderlich, da 25D nicht die aktive Form von Vitamin D ist, sondern 1,25D, wie Hollis selbst schreibt.

Genau da liegt der Hauptwiderspruch dieser Veröffentlichung, denn er versucht, alle Variablen gegen 25D aufzutragen und nicht gegen 1,25D. Das ist wohl verständlich, denn es gab einfach keine ähnliche Daten für 1,25D. Die Messungen sind aus den 70er Jahren. Betrachtet man aber die weitreichenden Schlussfolgerungen, die aus solch recht schwachen Auswertemethoden extrahiert werden, ist hier durchaus Skepsis angebracht.

Studie B) Holick 2006 ” High Prevalence of Vitamin D Inadequacy and Implications for Health”. Mayo Clinic Proceedings March 2006 vol. 81 no. 3 353-373

Es gibt mehrere Veröffentlichungen von ihm, aber die hier zitierte ist im Volltext verfügbar.  Er zeigt eine ähnliche Kurve zwischen PTH und 25D wie Hollis, allerdings nur die Kurve und nicht die Originaldaten. So kann man kaum erkennen, was eigentlich gemessen wurde und wie die Daten genau aussehen. Die PTH-25D-Beziehung von Holick (Figure 2 in der genannten Veröffentlichung) zeigt eine recht eindeutige Beziehung zwischen beiden Biomarkers. Die Fehlerbalken sind sehr klein. Das ist umso erstaunlich, als die gleichen Daten von Hollis eine enorme Streuung aufweisen, was wohl dadurch zustande kam, dass 25D ja nicht das aktive Metabolit von Vitamin ist. Diese Unsicherheit, die bei Hollis deutlich zu sehen ist, ist bei der Analyse von Holick nun  völlig verschwunden.

Es liegt hier die Vermutung nahe, dass er die gleiche Methode wie Hollis angewandt hat mit dem gleichen Fehler. Das Fehlen von Originaldaten und deren Streuung suggeriert jedoch Eindeutigkeit und untermauert Holicks Argumentation. Er kommt ebenfalls zum gleichen Wert von 30 ng/ml als “Idealwert” für 25 D.  Es gehört zu soliden wissenschaftlichen Arbeiten, dass man Messdaten auch zeigt und eine kritische Analyse über deren Fehler wiedergibt. Beides sucht man hier vergeblich.

Die jetzige Empfehlung für die idealen Werte von 25D im Blut, die man in fast jedem Laborzettel lesen kann, kommen also von den genannten Veröffentlichungen und wurden mit der gleichen (fragwürdigen Methode) erstellt. Seitdem postuliert man, dass 25D-Werte unterhalb 30 ng/ml “defizient” sind und man unbedingt supplementieren muss.

Die Empfehlungen werden dann kritiklos wiederholt und weitergegeben, als allgemein gültige Gesetze erklärt und als der Stand der heutigen Medizin dargestellt. Je höher die Vitamin-D-Empfehlungen sind, um so mehr Bevölkerungsteile fallen  unter  die Vitamin-D-Mangel-Kategorie, was wiederum als Beweis gilt für die Richtigkeit der Hypothese, der heutige Mensch erzeugt nicht genügend Vitamin D aus der Sonne. Eine Zirkellogik ohnegleichen.

Warum war die Messmethode von Hollis / Holick fragwürdig?

Der Fehler liegt meiner Meinung nach nicht an den Daten, sondern an deren Auswertung. Es ist aus den Veröffentlichungen von Hollis klar zu erkennen, dass er unbedingt einen funktionellen Zusammenhang zwischen PTH und 25D sehen wollte, was so aus den Daten nicht ersichtlich war.

PTH und 1,25D regulieren sich gegenseitig. Wohlgemerkt 1,25D und nicht 25D (!). 25D ist nur indirekt beteiligt und zwar als Substrat von 1,25D. 25D ist im Körper nicht aktiv und dient nur als Substrat für die Erzeugung von 1,25D.  Das ist unbestritten. Wenn 25D nicht aktiv ist, kann es auch die Werte von PTH nicht beeinflussen und demnach kann es auch keinen direkten Zusammenhang zwischen 25D und PTH geben. Es gibt nur eine indirekte Wechselwirkung über das erzeugte 1,25D.

Der Zusammenhang ist folglich:

25D   erzeugt 1,25D  <—beeinflusst –> PTH

Da der Körper versucht, den Pegel von 1,25D (Calcitriol) in einem bestimmten Bereich zu halten, gibt es nicht unbedingt eine Proportionalität (also einen “linearen” Zusammenhang) zwischen 25D und 1,25D. Ein möglicher 1,25D-Wert kann aus unterschiedlichen Konzentrationen von 25D entstehen (da 25D Depotcharakter hat). Daher gibt es für jeden 25D-Wert sehr viele mögliche PTH-Werte und nicht nur einen.

Das ist aus den Daten (Figur 4 von Hollis  2005) klar und deutlich zu sehen. Es gibt lediglich einen Bereich mit möglichen PTH/25D-Paaren; sie bilden eine Fläche und keine Linie. Das ist zumindest, was die Daten zeigen und ist auch plausibel. Genauere Zusammenhänge kennt wohl niemand, aber das ist, was gemessen wurde.

Wenn es aber keine einfache Funktion gibt, ist die Schlussfolgerung aus einer künstlich konstruierten Funktion falsch. Hollis und Holick hatten wohl keine anderen Daten verfügbar, denn sie haben ja nicht selbst gemessen, sondern Daten von anderen Forschern übernommen. Diese hatten wiederum nur 25D bestimmt. Die Wichtigkeit von 1,25D war in den 70er Jahren (aus dieser Zeit stammen die Messdaten) nicht so bekannt wie heute.

Es gibt eine gute Zusammenstellung über alle Versuche, ideale 25D-Werte aus Korrelationen zwischen PTH und 25D zu bestimmen in  Aloia et al (2006)

Natürlich war den Forschern wohl bekannt, dass 1,25D das aktive Metabolit ist und nicht 25D. Allerdings ziehen sie die Messung von 25D vor, denn 1,25D könnte paradoxerweise höher sein bei niedrigen 25D-Werten.  Auch diese Behauptung enthält Zirkellogik. Ich kann nicht behaupten, man sollte sich vor niedrigem 25D schützen, weil es möglicherweise zu ungenügend Calcitriol (1,25D) führt und gleichzeitig behaupten, ich messe Calcitriol nicht, weil der Wert zu hoch sein könnte. Wenn der Wert hoch ist, kann er nicht gleichzeitig zu niedrig sein. Darüber hinaus ist keineswegs gesagt, dass niedrige, künstlich unterdrückte PTH-Werte gut für die Gesundheit wären (es stimmt allerdings, dass zu hohe PTH-Werte Osteoporose verursachen)

“Some definitions of “sufficient” include the criterion that PTH levels be maximally suppressed—i.e., not lowered further by increasing 25(OH)D levels (Holick, 2007)—but PTH levels are rarely measured in clinical practice and even more rarely before and after vitamin D challenge. In any case, the desirability of keeping PTH levels at their nadir, incapable of reduction by further elevation of 25(OH)D levels, is philosophical: no study has demonstrated a health benefit of minimizing PTH levels in normal individuals”. Quelle: Journal of investigative Dermatology (2010)

Soweit zum Stand der Vitamin-D-Forschung und deren Empfehlungen. Als Folge davon konsumieren Tausende von Menschen Vitamin-D-Präparate, zum Teil vom Arzt verordnet wegen Vitamin-D-Mangel oder als Folge von Selbstmedikation. Interessant zu sehen, auf welcher Datenbasis solche Empfehlungen basieren. Wer mehr von fehlerhaften Auswertungsmethoden sowie Denkfehlern lesen will, wird beim  Buch “Der Schein der Weisen: Irrtümer und Fehlurteile im täglichen Leben” bestimmt fündig.

Um Missverständnissen vorzubeugen: es ist absolut unbestritten, dass Vitamin D eine zentrale Rolle für die Gesundheit darstellt und eine Vielzahl von lebenswichtigen Prozessen steuert (siehe auch dieses Posting). Vitamin D ist aber so wichtig, dass der Körper es selbst herstellen kann.

Die Argumentation, wir bekommen nicht genügend Sonne und müssen daher Nahrungsergänzungsmittel nehmen, um unsere 25D-Werte auf 30 ng/ml zu bringen, basiert auf  fraglichem Datenmaterial sowie auf sehr kritikwürdigen mathematischen Auswertungsmethoden, wie man selbst mit einem detaillierten Blick auf die genannten Arbeiten erkennen kann. Fraglich, weil die Autoren alle Biomarkers gegen ein bekanntes inaktives Metabolit (25D) auftragen und nicht gegen das aktive (1,25D). Kritikwürdig deshalb, weil hier funktionelle Zusammenhänge forciert werden, die so aus den Daten nicht ersichtlich sind. Eine solide Fehleranalyse sucht man in diesen Veröffentlichungen vergeblich.

Hätten Hollis und Holick den “Idealwert” für 25D mit dem Messfehler ihrer Auswertungen versehen, also so was wie 30  +/- 20 mg/ml, wäre die große Unsicherheit ihrer Bestimmung offensichtlich, was die ganze Methodik ad absurdum führen würde. Jede Messung ist mit Fehlern behaftet, lernt jeder Student eines naturwissenschaftlichen Faches.

Vorhandene statistische Auswertungen zeigen, dass 25D-Werte unterhalb von 20 ng/ml in Populationen ohne Supplementierungen mehrheitlich vorkommen. Sie als defizient zu titulieren, ohne gleichzeitig wasserdichte Beweise zu liefern,  ist unangebracht. Daher ist die Frage durchaus berechtigt:

Welche Studie mit einer Vitamin-D-Supplementierung von mindestens 1000 I.E. täglich über mindestens 10 Jahre hat jemals bewiesen, dass Vitamin-D-Supplementierung Krankheiten vorbeugt oder sonstige positive Effekte hervorbringt? Die Antwort Stand März 2010: gar keine. Bisher wurde so eine Studie nicht durchgeführt. Es gibt sie einfach nicht. Das ist der aktuelle Stand.

Dafür gibt es andere Studien, die ähnliches versucht haben, z. B. Supplementierung mit Beta-Carotin. Auch damals hatte man niedrige Beta-Carotin-Werte mit Krebs assoziiert und wollte durch Supplementierung vorbeugen. Das Ergebnis: noch mehr Krebsfälle, nicht weniger.  Also ist durchaus Vorsicht angebracht, solange nicht ausreichende medizinische Beweise über die positive Wirkung von Vitamin-D-Supplementierung auf dem Tisch liegen.

Sowohl Hollis als auch Holick gehören zu den “World leading authorities on Vitamin D” und sind Mitglieder des Vitamin-D-Councils. Holick wurde für seine Arbeiten mit einer Vielzahl von Preisen honoriert. Er ist einer der wichtigsten Väter der Vitamin-D-Mangel-Theorie. Siehe seine Veröffentlichung  “Vitamin D Deficiency”  von 2007. Es gelang Holick offensichtlich, eine große Anzahl von Anhängern seiner Vitamin-D-Mangel-These zu gewinnen, nicht jedoch seine eigene Chefin, die ihm dafür kündigte und seine Wissenschaft als “Schund” bezeichnete (”schlock science”). Wer Holick live erleben will, siehe dieses YouTube Video.

Die Vitamin-D-Supplementierungsempfehlung des IOM (Institute of Medicine of the national academies) von November 2010

Das IOM organisierte  eine Reihe von Anhörungen mit Vitamin D Experten aus der ganzen Welt, es wurden mehr als 1000 Vitamin D Studien analysiert und ausgewertet. Es handelt sich also hier wahrscheinlich um die größte Vitamin D Datensammlung der letzten Jahre. Die Ergebnisse liegen seit November 2010 vor. Sie stellte unmissverständlich klar, dass die überwiegende Mehrzahl der US Bevölkerung genügend Vitamin D aus Sonne und Lebensmittel erhält, so dass Supplementierung mit Vitamin D nicht notwendig ist. Wenn supplementiert werden muss, dann in der Regel nur mit 400 I.E. täglich. Die maximale tägliche Dosis liegt nun bei 4000 I.E. Siehe Pressemitteilung. Höhere Vitamin-D-Einnahmen wird mit Gesundheitsrisiken in Verbindung gebracht und daher nicht von der IOM empfohlen. Die von der Vitamin-D-Mangel-Theorie weit verbreitete These, dass der menschliche Organismus nicht genügend Vitamin D in den hiesigen Breitengraden herstellt, ist damit widerlegt. Die Ergebnisse der Studie  können hier angesehen werden. Die nationale Presse hat bereits darüber informiert.

Die Konstellation von hohen 1,25D-Werten und gleichzeitig niedrigen 25D

Eine Frage bleibt jedoch bestehen: die statistische Korrelation zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten (25D) und einer Vielzahl von Erkrankungen (z. B. die hier zitierte Framingham Studie). Warum sind die 25D-Werte niedrig und gleichzeitig die 1,25D-Werte hoch?

Diese Konstellation kommt bei chronischen Erkrankungen sehr häufig vor. Im Volksmund wird sie oft “kompensatorische Erhöhung” genannt, was eigentlich falsch ist, denn 25D und 1,25D sind unterschiedliche biochemische Substanzen, die sich keineswegs kompensieren können. Vielmehr spricht einiges dafür, dass die niedrigen 25D-Werte eine Folge der hohen 1,25D-Werte sind. 1,25D ist ein Hormon mit starker Wirkung auf den menschlichen Stoffwechsel, 25D ist hingegen eine biologisch inaktive Substanz. Es ist sehr gut möglich, dass die negativen Auswirkungen von niedrigen Vitamin-D-Werten (25D) nicht vom Vitamin-D-Mangel kommen, sondern lediglich von den dazugehörigen zu hohen 1,25D. Beispiel Osteoporose: 25D nimmt am Calciumstoffwechsel nicht Teil, 1,25D dagegen schon,  wirkt in hohen Konzentrationen osteoklastisch und damit knochenabbauend, was wiederum erklären würde, warum Osteoporose mit niedrigen 25D-Werten korreliert. Dafür wären die zugehörigen hohen 1,25D-Werte verantwortlich.

In einer aktuelle Studie wurde Dialysepatienten direkt Calcitriol (1,25D) gespritzt. Als Folge hatten sie niedrige (!) 25D-Werte im Blut.  Es gibt auch Modellrechnungen, die dieses Verhalten erklären  Das ist das Thema dieses Postings. Patienten mit primären Hyperthyreoidismus zeigen ebenfalls zu hohe 1,25D- sowie PTH-Werte gekoppelt mit Vitamin-D-Mangel, was allerdings nach Entfernung des (meist gutartigen) Tumors in den Nebenschilddrüsen verschwindet. Also können niedrige 25D-Werte nicht ursächlich für die hohen PTH-Konzentrationen gewesen sein, sondern umgekehrt. (Quelle Parathyroid.com)

In Internetforen wird des öfteren argumentiert, dass niedrige Vitamin-D-Werte zwangsläufig zu sekundärem Hyperparathyroidismus führen. Damit steigt  das PTH krankhaft an, was wiederum zu höheren 1,25D-Werten führt. Diese These lässt leider außer Acht, dass es etliche Patienten mit niedrigen 25D-Werten mit normalen PTH- und gleichzeitig hohen 1,25D-Werten gibt. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die 1-alpha-hydroxylase (Konvertierung von 25D ins 1,25D mittels das CYP27A Enzym) wird nicht nur durch PTH begünstigt, sondern besonders durch Interferon-Gamma, also als Folge von Immunreaktionen (Interferon Gamma ist ein Zytokin des angeborenen Immunsystems). Gentechnisch präparierte Mäuse ohne DBP (Vitamin-D-bindendes Protein) haben kein frei zirkulierendes 25D in ihrem Blut und haben trotzdem einen normalen Kalziumstoffwechsel. Die „sekundäre  Hyperparathyroidismus-These“ deckt also nur einen Teilbereich der Problematik und ignoriert Immunreaktionen. Patienten mit dieser Erkrankung haben in der Tat oft niedrige Vitamin-D-Werte (25D), was nicht unbedingt bedeutet, dass niedrige 25D automatisch zu sekundärem Hyperparathyroidismus führen. Weiterhin kann man selbst in der Hollis Studie sehr gut erkennen, dass es keinen einfachen Zusammenhang zwischen 25D und PTH gibt, wie schon in den oberen Abschnitten diskutiert wurde.

Vitamin D Supplementierung und Osteoporose

In der Bevölkerung (und vermutlich bei vielen Ärzten auch) ist der Glaube weit verbreitet, Vitamin-D-Supplementierung ist ein wirksames Mittel für die Vorbeugung von Osteoporose. Sucht man jedoch nach wissenschaftlichen Arbeiten, die diese Vermutung  untermauern, wird man selten fündig.

Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass bei einer Vielzahl von Studien Vitamin D und Calcium gleichzeitig eingenommen wurde. Hinterher ist es unmöglich zu bestimmen, ob es am Calcium oder am Vitamin D lag.  Neueste Untersuchungen suggerieren, dass Calcium in der Tat hilft, Vitamin D jedoch nicht.

Eine Analyse von mehr als 68.000 Patienten (mittleres Alter 69.9 Jahre) ergab, dass Vitamin-D-Supplementierung (bis zu 1600 I.E. täglich) allein keine Reduktion von Frakturen brachte, nur Vitamin D und Calcium zusammen. Eine aktuelle Studie aus Norwegen bestimmte die Knochendichte aus mehr als 400 übergewichtigen Teilnehmern nach einem Jahr Vitamin-D-Supplementierung. Es wurde kein Unterschied in der Knochendichte festgestellt. Die Arbeiten von Bischoff-Ferrari zeigten nach mathematischen Auswertungen von vorhandenen Studien eine geringe Zunahme der Knochendichte (um die 80 mg/cm, Bild 6 von Hollis 2005, dargestellt sind Differenzen, keine Absolutwerte) bei höheren Vitamin-D-Werten.

Folgt man den relevanten biochemischen Prozessen der Knochenbildung und Knochenabbau (Zusammenspiel zwischen Osteoklasten und Osteoblasten), sieht man, dass hauptsächlich  PTH (Parathyroid-Hormon), Calcitonin und vor allem Östrogen für den Knochenaustausch verantwortlich sind. Vitamin D ist nur marginal beteiligt, und zwar so, dass PTH vom Vitamin-D-Rezeptor VDR transkribiert wird.  Die Kalziumaufnahme im Darm wird durch 1,25D gefördert (und nicht durch 25D, wie oft zitiert wird), das ist nur ein Faktor von vielen.  Neueste Studien zeigen deutlich, dass die Kalziumabsorption durch 1,25D beeinflusst wird und nicht durch 25D (Siehe Aloia et al 2010).

Hohe Calcitriol-Werte im Blut, wie sie in chronischen entzündlichen Prozessen entstehen, fördern ebenfalls die Bildung von Osteoklasten, was den Knochenabbau begünstigt.  Eine dänische Studie mit 500 Frauen in den Wechseljahren zeigte eine inverse Beziehung zwischen Calcitriol (1,25D) und Knochendichte. Je höher die Calcitriol-Werte im Blut, umso niedriger die Knochendichte.

Siehe Abschnitt “TH1 Entzündungen” in  dieses Posting . Hier eine sehr gute Beschreibung des Knochenstoffwechsels (in englischer Sprache).  Ein möglicher Grund für Osteoporose ist also nicht der Vitamin-D-Mangel, sondern entzündliche Prozesse, die wiederum niedrige Vitamin-D-Werte zur Folge haben. Ein Artikel in der Pharmazeutischen Zeitung beschreibt es recht gut.

Eine aktuelle Studie aus 2009:
Vitamin D and vitamin D analogues for preventing fractures associated with involutional and post-menopausal osteoporosis. (Cochrane Database Syst Rev. 2009 Apr 15;(2):CD000227.)  Die Forscher kamen zu dem Schluss:

“Vitamin D alone is unlikely to prevent fracture. Overall there is a small but significant increase in gastrointestinal symptoms and renal disease associated with vitamin D or its analogues. Calcitriol is associated with an increased incidence of hypercalcaemia”.

Also: eher schädliche Nebenwirkungen.

Eine andere kumulative Studie aus drei australischen Universitäten umfasste 64.000 Probanden. 92 % davon Frauen. Ergebnis:

  • Calcium hilft in Dosen von 800-1200 mg täglich
  • Vitamin D hilft nicht mit Dosen unterhalb 800 IE, allerdings ist es fraglich, ob höhere Dosen helfen

Interessante Formulierung über die Wirkung von Vitamin D. Anders gesagt: es hilft nicht. Die Studie (in englischer Sprache) kann man hier lesen. Sie wurde von der iQwiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) in Deutschland in Auftrag gegeben.

Auch die Ergebnisse von der Womans Health Initiative von 2006 zeigten ähnliche Ergebnisse. Bei der Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung von mehr als 36.000 Frauen (Alter 50-79) zwar wurde eine leichte Verbesserung der Knochendichte gemessen, es reichte aber nicht, um die Anzahl der Beckenbrüche signifikant zu reduzieren. Es wurde im Übrigen kein schützender Effekt gegen Darmkrebs festgestellt. Es ist auch ein beliebtes Argument der Anhänger von Vitamin-D-Supplementierung, dass es angeblich gegen Krebs schützt.

Eine andere Studie aus Norwegen (2010) mit 321 Teilnehmern brachte auch nichts neues, Vitamin-D-Einnahme führte nach einem Jahr zu keinerlei Besserung der Knochendichte. Die Studie ist insofern interessant, weil sie mit “Doppelblind”-Methoden durchgeführt wurde, d. h. weder die Probanden noch das Studienpersonal wussten wer, Vitamin D bekam und wer Placebo.

Siehe ergänzend dazu:
Calcium, vitamin D supplementation, and physical function in the Women’s Health Initiative.


Calcium/Vitamin D Supplementation and Cardiovascular Events


Calcium Plus Vitamin D Supplementation and Mortality in Postmenopausal Women: The Women’s Health Initiative Calcium–Vitamin D Randomized Controlled Trial

Zusammenfassend: keine von diesen Studien konnte einen Vorteil von der zusätzlichen Vitamin-D-Einnahme bei den untersuchten Frauen finden.

Interessanterweise werden diese Studien im Buch von Dr. Nicolai Worm "Heilkraft D. Wie sie das Sonnenvitamin vor Herzinfarkt, Krebs und anderen Zivilisationskrankheiten schützt” im Kapitel “Länger leben” zitiert und zwar bei einer kleinen Untergruppe von Frauen, deren 25D Level exakt bestimmt wurde (2285 Frauen). Der Autor spricht von einer “statistisch signifikanten” Reduktion der Sterblichkeit bei diesen Frauen.

Die offizielle Aussage der Studie jedoch war:

“In the WHI CaD trial, supplementation did not have a statistically significant effect on mortality rates but the findings support the possibility that these supplements may reduce mortality rates in postmenopausal women. These data can neither support nor refute recommendations for higher dose vitamin D supplementation to reduce cancer or total mortality”.

“Länger leben” ist etwas anderes. Die mageren Ergebnisse werden wiederum mit den relativ niedrigen Dosen der Vitamin-D-Supplementierung (rund 500 I.E.) erklärt. Ob es allerdings bei höheren Dosen auch günstigere Ergebnisse gegeben hätte, ist offen.

Es gibt jedoch eine recht gut belegte Auswirkung auf die Muskelkraftzunahme sowie eine reduzierte Sturzwahrscheinlichkeit bei älteren Menschen (meiner Meinung nach eher eine Folge der Muskelkraftzunahme als durch höhere Knochendichte). Vitamin D ist ein Steroid und Steroide werden auch als Dopingmittel unzulässigerweise im Sport verwendet.

Vitamin D und Allergien

In den 50er bis 60er Jahren war die massive Vitamin-D-Supplementierung bei Babys mit Dosen über 100.000 I.E. weit verbreitet, als Teil einer Prophylaxe gegen Rachitis. Das wird heute noch als Hinweis für die geringe Toxizität von Vitamin D angesehen. 20 Jahre später, in den 80er Jahren, gab es die höchsten jemals gemessenen Fälle von Allergien, ein Problem, das bis heute andauert. Die allergischen Erkrankungen sind ein Leiden des 20ten Jahrhunderts, früher waren sie so gut wie unbekannt. Daher kamen einige finnische und deutsche Wissenschaftler auf die Idee, Allergien und Vitamin-D-Supplementierung bei Babys und Kindern hängen möglicherweise zusammen.

Statistische Untersuchungen sowohl in Finnland als in Deutschland bestätigten diese Korrelation, je mehr Vitamin D supplementiert wurde, umso mehr litten Kinder später an allergischen Erkrankungen. Da kommt die Frage auf, ob es doch nicht von der Natur beabsichtigt ist, dass Muttermilch recht wenig Vitamin D hat. Es gibt auch einen interessanten  deutschsprachigen Artikel über das Thema “Induziert Vitamin D Allergien ?”, gleicher Autor wie die erwähnte Deutsche Studie.

Das Thema wurde auch vom Deutschlandradio aufgegriffen, geriet jedoch in Vergessenheit, wie vieles Kritisches über Vitamin D. Die erwähnten Studien werden in der üblichen Vitamin-D-Literatur kaum zitiert.

Es war anderen Wissenschaftlern bereits bei Versuchen mit Mäusen aufgefallen, dass die Vitamin-D-Gabe das TH1/TH2 Gleichgewicht in Richtung TH2 verschiebt, was typisch für allergische Erkrankungen ist. Das Beispiel mit den Allergien verdeutlicht, wie wichtig es ist, Supplementierungsfolgen über einen längeren Zeitraum als 10 Jahre zu betrachten.  Solche langfristigen Studien gibt es jedoch kaum.

Einige werdende Mütter möchten am liebsten mit der Vitamin-D-Supplementierung schon in der Schwangerschaft anfangen. Dies könnte kontraproduktiv sein, da das Risiko von durch Schwangerschaft bedingtem Brustkrebs mit zunehmendem Vitamin-D-Spiegel steigt, wie die erwähnte aktuelle Studie zeigt.

Vitamin-D-Supplementierung und Krebs

Wissenschaftler haben Korrelationen zwischen vermehrtem Auftreten von bestimmten Krebssorten und gleichzeitig niedrigen Vitamin-D-Werten festgestellt. Nicht verwunderlich, denn eine Vielzahl von Krankheiten korreliert mit niedrigen 25D-Werten im Blut. Daraus folgt jedoch keineswegs, dass man nur mehr Vitamin D einnehmen muss, um solche Krankheiten vorzubeugen. Es könnte sogar kontraproduktiv sein, wie wir hier sehen werden.

Trotzdem wird aus den genannten Korrelationen die beliebte These aufgestellt, hätte man mit Vitamin D supplementiert, wären möglicherweise weniger Krebsfälle aufgetreten.  Eine These, die erst zu beweisen wäre, und zwar mit langfristigen, statistisch aussagekräftigen Studien. Nun gerade die gibt es leider nicht, selbst wenn viele Vitamin-D-Bücher das anders sehen.

Eine vielfach zitierte Studie, die den Beweis des angeblichen schützenden Effekts von Vitamin D auf Krebs suggeriert, wurde von den US Wissenschaftlern Lappe et al durchgeführt.

Die Studie streckte sich über den relativ kurzen Zeitraum von 4 Jahren. Die Supplementierung erfolgte mit Vitamin D und Calcium gleichzeitig, so dass der reine Effekt von Vitamin D nur durch Mathematik bestimmt werden kann. Dazu kam noch, dass die Krebsfälle im ersten Jahr aus der Statistik herausgenommen wurden (wohlgemerkt, alle Krebsfälle von einem aus den vier Jahren). Insgesamt wurden 37 Krebsfälle diagnostiziert, dabei suggerierte die Studie, dass die Gruppe mit Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung weniger Krebsfälle hatte als die mit Placebo.

Das ist nun die Vorzeigestudie die von etlichen Vitamin-D-Päpsten zitiert wird als klarer Hinweis, möglichst viel mit Vitamin D zu supplementieren. Dies ist meiner Meinung nach verfrüht. Wissenschaftler, die mit statistischen Auswertemethoden vertraut sind wissen, dass es so etwas wie ein “statistisches Rauschen” gibt. D. h. der Zufall alleine verursacht Streuung von Messdaten in eine oder andere Richtung (zufällig), daher ist es unbedingt erforderlich, eine für statistische Aussagen hinreichende Anzahl von Probanden zu haben. Die geringe Anzahl von Krebsfällen in dieser Studie, zumal noch über drei Jahre verteilt (also pro Jahr rund 11 Fälle), ist für eine statistisch gesicherte Auswertung einfach zu wenig, um genaue Aussagen zu treffen.  Trotzdem wird in diese Studie sehr viel Gewicht und Aussagekraft hineininterpretiert, viel mehr, als die tatsächlich vorhandenen Messdaten hergeben. Gehen wir hier etwas mehr ins Detail:

Sieht man z.B. die Abbildung 1 der genannten Studie, so sieht man einen beeindruckenden Effekt, die Placebo-Kurve ist deutlich unterhalb der Vitamin-D- und Calcium-Kurve. Man beachte, dass keinerlei Messdaten zu sehen sind, sondern nur Auswertungen. Soweit so gut, sieht man jedoch die Y-Achse,  dann fällt auf, dass sie nicht bei “Null” anfängt, sondern bei 0.9 (also 90 %). So etwas nennt sich eine “unterdrückte Null” und ist eine beliebte Methode, um Messdaten eindruckvoller vorzustellen, als sie eigentlich sind.  Misst man den absoluten Abstand zwischen der Placebo-Kurve und die Vitamin-D-Kurve im Jahr 4, ist es grob ein Effekt von 6 %. Also haben angeblich die Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung-Gruppe eine 6 % geringere Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken.

Ein schützender Effekt von 6 %  klingt gut, aber leider ist schon alleine das statistische Rauschen aufgrund der geringen Anzahl von Krebsfällen deutlich größer als 6 %,  diese Aussage kann man also in dieser Genauigkeit gar nicht treffen.  Trotzdem wird sie publiziert und vielfach zitiert. Soweit zu einigen (hoffentlich  nicht repräsentativen) wissenschaftlichen Studien über die Wirkung von Vitamin D. Wie sagt eine beliebte Redewendung ? “traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“.  Da ist wohl was Wahres dran.

Andere Wissenschaftler fanden sogar das Gegenteil: Finnische Forscher veröffentlichten im Jahre 2004 Verblüffendes:  zwar beobachteten sie die bekannte Korrelation mit niedrigen 25D-Levels und Krebs, aber zusätzlich stellten sie fest, dass sehr hohe 25D-Werte ebenfalls mit Prostatakrebs korrelieren. Die Kurve folgte also einem “U” (Tuohimaa P , Tenkanen L , Ahonen M , et al . Both high and low levels of blood vitamin D are associated with a higher prostate cancer risk: a longitudinal, nested case-control study in the Nordic countries . Int J Cancer .2004 ; 108 ( 1 ): 104 – 108).  Andere Wissenschaftler versuchten, diesen  überraschenden Erkenntnissen (die leider kaum zitiert werden in der üblichen Vitamin-D- Literatur) auf den Grund zu gehen.  Siehe z. B. Ahn et al 2008 (Serum Vitamin D Concentration and Prostate Cancer Risk: A Nested Case – Control Study, publiziert in den Oxford Journals für Medizin). Ihre Folgerung:

“Higher levels of serum 25-hydroxyvitamin D may not reduce the

risk of prostate cancer; indeed, it is possible that higher levels are

associated with increased risk of aggressive disease.

Was salopp übersetzt bedeutet, dass hohe 25D-Werte im Blut nicht zu einer Senkung des Prostatakrebsrisikos führen, es ist sogar möglich, dass sie das Risiko von aggressiven Formen erhöhen. In Gegensatz zu den 37 Krebsfällen der hier erwähnten Lappe et al Studie wurden hier 749 Krebsfälle berücksichtigt, d. h. rund zwanzig mal mehr, was ihre statistische Signifikanz deutlich erhöht. Sie führten auch einen zusätzlichen Aspekt ein, nämlich die Aggressivität der Erkrankung, und sie korrelierte mit steigenden Werten von 25D im Blut und zwar für 25D-Werte im Blut höher als 15 ng/ml (!).Wir erinnern uns an die Empfehlungen der Vitamin-D-Experten: 25D-Werte unterhalb von 20 ng/ml gelten als Mangel.  Soweit zum Thema Vitamin D und Krebsvorbeugung. Ein guter deutschsprachiger Überblick über die Studien über Vitamin D und Krebs bietet Giovanlucci.  Holick hingegen behauptet weiterhin, mit Vitamin-D-Supplementierung gäbe es 40 % weniger Krebsfälle. Studien, die das belegen, gibt es nicht (von der erwähnten Lappe-Studie mit unzureichender Statistik mal abgesehen).

Jetzt versuchen wir zu verstehen, was die o. g. Studie mit “aggressiv” meint und was die möglichen Ursachen dafür sind. Eine Krebserkrankung ist “aggressiv”, wenn sie schnell im Körper Metastasen bildet. Die Studie von Ahn et al wurde wiederum neulich bestätigt, zum zweiten Mal wurde die erwähnte Korrelation von Prostatakrebs Risiko und hohes Vitamin D in Studien Nachgewiesen ). Quelle: Serum 25-Hydorxyvitamin D and Prostate Cancer Risk in a Large Nested Case-Control Study, Demetrius Albanes et al, 2011

Glücklicherweise haben wir ein Gen, das eine schützende Wirkung gegen Metastasen ausübt, es hat den Namen “Metastase Suppressor Gen” (MTSS1″) und dieses Gen wird vom Vitamin-D-Rezeptor VDR transkribiert. Also schützt Vitamin D doch gegen Krebs? Vitamin D (1,25D) ja,  aber nicht unbedingt durch übermäßige Supplementierung! Überschüssiges 25D aktiviert nicht den Rezeptor, sondern verdrängt möglicherweise den wahren Aktivator 1,25D vom Rezeptor weg, was zu einer verminderten Transkription des MTSS1 führt mit der möglichen Folge, dass der schützende Effekt wiederum neutralisiert wird. Das könnte die Ursache sein, warum zuviel 25D zu aggressiveren Krebsverläufen führt und nicht zu einem Schutz. “Viel hilft Viel” könnte sich wiederum als Trugschluss erweisen, wie leider so oft.

Nun ist es leider so, dass bei Krebs die Transkription des VDR selbst niederreguliert wird. Damit ist der schützende Effekt ebenfalls vermindert. Eine Studie über Eierstockkrebs zeigte, dass die der VDR um 60 % im Tumorgewebe niederreguliert wurde.

Siehe auch: “The VDR and metastasing Cancer” als Transkript und als Video.

Im Januar 2010 wurde die größte Europäische Studie über Darmkrebs veröffentlicht, mit 1248 Krebsfällen. Die Studie berücksichtigte auch Supplementierung mit Vitamin D. Die Ergebnisse: Zwar wurde die bekannte Korrelation zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten (25D) im Blut und das Krebsrisiko bestätigt, der Einfluss von zusätzlicher Vitamin-D-Supplementierung war gleich Null. Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, korrelierte nicht (weder positiv noch negativ) mit der Supplementierung. Eine neueste Studie des National Cancer Insitute in USA (Sept 2010) untersuchte anhand der Daten der NHANES III Studie (1988-2006) den angeblichen “schützenden” Effekt von Vitamin D auf Krebserkrankung. Das Ergebnis: kein eindeutiger Zusammenhang. Bei Frauen gab es einige Populationen (Frauen in Sommermonaten) und einen schwachen inversen Zusammenhang zwischen den 25D-Werten und Krebsmortalität, bei anderen Männer-Populationen jedoch das Gegenteil. Je höher die 25D-Werte im Blut, umso höher die Krebsmortalität. O-Ton: “These findings argue for caution before increasing 25(OH)D levels to prevent cancer.

Mittlerweile gibt Dr. Cannel (Direktor des vitamin d council) offen zu, dass die Studienlage über Vitamin D und Krebs uneinheitlich ist. Seine Erklärung: in den Krebsstudien bisher wurde vermutlich Vitamin A beigemischt, was die positive Wirkung der Vitamin D unterminiert hat. “Evidenz” sieht jedoch anders aus.

Wer sich für den Zusammenhang zwischen Vitamin D und Krebs interessiert, dem sei die hervorragende Zusammenfassung des National Cancer Institute in USA empfohlen.

Vitamin D zusammengefasst in 10 Punkten:

  1. Der Vitamin-D-Stoffwechsel spielt eine zentrale Rolle in einer Vielzahl von biochemischen Prozessen. Der Vitamin-D-Rezeptor VDR ist für die Transkription von knapp 1000 Genen verantwortlich.
  2. Vitamin D ist kein Vitamin, sondern ein Hormon (1,25D). Es kann vom Körper selbst hergestellt werden.
  3. Es gibt zwei Metaboliten, 25D und 1,25D. Nur 1,25D ist biologisch aktiv.
    25D wird u. a. im Fettgewebe gespeichert und hat einen Depotcharakter.
  4. Studien haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Erkrankungen mit niedrigen Vitamin-D-Werten korreliert, daraus folgt aber keineswegs, dass niedrige  25D-Werte  die Ursache sind und erst recht nicht, dass Supplementierung einen vorbeugenden oder heilenden Effekt hat.
  5. Die Vitamin-D-Mangel-Hypothese ist, wie der Name sagt, nur eine Hypothese, die bisher hauptsächlich durch Korrelationen und nicht durch Kausalität bewiesen wurde. Sie wird sehr aktiv von Mitgliedern des Vitamin D Council betrieben. Nach dieser These sollen die 25D-Werte im Blut möglichst höher als 30 ng/ml sein. Dazu empfehlen sie bis zu 4000 I.E. täglich an Vitamin D.
  6. Es gibt sehr wenige Studien, die eine positive Wirkung von Vitamin-D-Supplementierung zeigen. Studien aus Populationen, die nicht supplementieren, zeigen, dass “normale” 25D-Werte im Bereich 15-20 ng/ml liegen. Langfristige Vitamin-D-Supplementierung-Studien (über 10 Jahre) und mit mindestens 1000 I.E. Vitamin D gibt es kaum.
  7. Je höher die künstlich hergestellten Vitamin-D-“Normalwerte” liegen, umso mehr Menschen leiden angeblich an einem Vitamin-D-Mangel.
  8. Menschen mit chronischen Erkrankungen, die Vitamin D supplementieren, sollten sowohl ihre 1,25D-Werte als auch die Kalziumwerte im Blut gut überwachen. Hyperkalzemie tritt zwar selten auf, dafür ist sie umso gefährlicher. Nierensteine sowie Nierenschwäche kann die Folge sein. Die Messung von 25D alleine reicht nicht aus.
  9. Vitamin D kann sowohl zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems als auch zu Immunsuppression führen. Das hängt mit der kombinierten Wirkung der zwei Metaboliten 25D und 1,25D zusammen. Immunsuppression wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd, kann aber langfristig kontraproduktiv sein.
  10. Vitamin-D-Supplementierung hat möglicherweise keinen vorbeugenden Effekt gegen Krebs, Studien (Prostatakrebs) mit einer ausreichenden Anzahl von Probanden zeigten sogar kontraproduktive Effekte in Bezug auf die Aggressivität der Erkrankung.